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Berlin unangefochtene Start-up Hauptstadt – doch Senat verschläft Digitalisierung
Weniger Akten und mehr Digitalisierung würde in Berlins Ämter einiges beschleunigen. | Foto: Bild von Ro Ma auf Pixabay

Berlin unangefochtene Start-up Hauptstadt – doch Senat verschläft Digitalisierung

19. Juni 2020

Heute findet der deutschlandweite Digitaltag statt. Die fünf größten Start-up Hotspots Deutschlands schließen sich zusammen, um Herausforderungen und Lösungswege zu beleuchten. Berlin ist einer davon. Auch der Start-up Monitor 2020 fällt sehr positiv für die Hauptstadt aus.

Der Senat hat zu dem Erfolg der Stadt allerdings wenig beigetragen. Ihm wird vielmehr vorgeworfen zu wenig, für die Digitalisierung zu unternehmen.

Startup-Champs@Digitaltag

Jung, innovativ, unkonventionell – das Image Berlins könnte kaum besser sein. Dies hat zur Folge, dass viele junge Menschen in die Hauptstadt kommen, um ihre Ideen umzusetzen – die Start-up Branche boomt. Unternehmen wie Zalando machten als Start-up aus Berlin den Sprung in die weite Welt und gehen mit gutem Beispiel voran. Ebenso zeigt der Digitaltag, der heute stattfindet, Berlins Position in diesem Bereich: neben Hamburg, München und Köln ist Berlin Veranstalter des Wettbewerbs Startup-Champs@Digitaltag. Für diese Aktionen konnten sich junge Unternehmen bis zum 14. Juni bewerben. Aus den vier Stätten gehen jeweils drei Start-ups ins Rennen.

Berlin Start-up Monitor 2020

Zudem veröffentlichte gestern der Bundesverband Deutsche Startups (Start-up-Verband) und die Wirtschaftsförderung Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie den Berlin Start-up Monitor 2020, der in Zahlen verdeutlicht, dass Berlin nicht nur die Bundes- sondern auch die Start-up Hauptstadt Deutschlands ist. So arbeiten im Durchschnitt 32,7 Beschäftigte in einem Start-up – das sind 20 mehr als im bundesweiten Vergleich.

Auch im Bereich der FinTechs kann Berlin punkten: etwas mehr als ein Drittel der deutschen Szene sitzt in Berlin. „Berlin ist die unangefochtene Hauptstadt der deutschen Startup-Szene und überzeugt auch im internationalen Wettbewerb mit seinen Standortvorteilen. Gründerinnen und Gründer profitieren hier von dem großen Talentpool, den etablierten Netzwerken zu Wissenschaft und Forschung und der dynamischen Wirtschaftslage – gerade auch in Zukunftssegmenten wie der FinTech-Branche.“ erklärt Dr. Stefan Franzke, Geschäftsführer der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie.

Außerdem zeige der Startup-Monitor 2020 auch, dass sich besonders im wachsenden B2B-Sektor zahlreiche neue Möglichkeiten für junge Unternehmen bieten. „Dies läutet eine Akzentverschiebung ein und bietet Chancen, das Ökosystem auch in Zukunft noch weiter voranzutreiben. Denn Berlin hat als Start-up-Hotspot noch viel Potenzial!“, so Franzke weiter. Im B2B-Sektor seien mehr als 52 Prozent der Berliner Start-ups tätig. Laut Berlin Partner liege ihr Fokus dabei auf Software-as-a-Service (SaaS)-Lösungen, die sich durch ihre hohe Skalierbarkeit auszeichne und mit denen die Start-ups die umfassende Digitalisierung der deutschen Wirtschaft vorantreiben.

Die Politik nutzt dieses Know-how der Berliner Wirtschaft kaum

Foto: IHK Berlin
Die IHK kritisiert die Arbeit des Senats in Sachen Digitalisierung konkret, in dem sie fünf Problemfelder aufzeigt. Foto: IHK Berlin


Bei all den positiven Zahlen und Reaktionen hinsichtlich der Berliner Start-up Kultur überrascht, dass die Politik in Sachen Digitalisierung stark hinterherhinkt. „Berlin hat eine der aktivsten Start-up-Communities weltweit und ist führend in der Digitalisierung von Geschäftsmodellen. Doch die Politik nutzt dieses Know-how der Berliner Wirtschaft kaum. Die Entwicklung des Standorts ist einzig und alleine auf das Engagement der Menschen in den Branchen zurück zu führen. Warum hängt die Digitalisierung der Berliner Verwaltung dennoch so hinterher? Oder auch der fehlende Breitbandausbau in den meisten Bezirken?“, fragte Daniel-Jan Girl, Vorsitzender IHK-Branchenausschuss Digitale Wirtschaft rhetorisch. Es liege am fehlenden Anspruch, der Politik Entscheidungen zu treffen und dabei die vorhandenen Kompetenzen des Standorts Berlin – auch aus der Wirtschaft zu nutzen. Wenn Corona etwas bewiesen habe, dann wie weit Berlin bei der Digitalisierung in der Verwaltung wirklich zurückliege und wie schnell eigentlich doch politische Entscheidungen getroffen werden könnten, wenn man wolle, ergänzte Girl.

Um der Politik transparent zu verdeutlichen, wo die Probleme liegen und wie diese gelöst werden könnten, entwickelte die IHK „fünf Handlungsfelder für eine Digitaloffensive“. Ein großer Kritikpunkt ist dabei die veraltete Verwaltung der Stadt. Während des Corona-Lockdowns waren nur etwa 11,5 Prozent der Mitarbeiter im Home Office. Ein anderes Problem ist der geringe Anteil an Glasfaseranbindungen. Etliche innovative Dienstleistungen sind auf ein gut ausgebautes Netz angewiesen. Eine Umfrage der IHK ergab, dass etwa ein Viertel der Berliner Unternehmen mit der Breitbandversorgung unzufrieden sind.

Zudem deckte die Corona-Pandemie die digitalen Mängel an der Berliner Schulen auf. Während des Lockdowns hatten etliche Schüler Probleme ein adäquates Bildungsangebot zu erhalten.

Berlin braucht einen Digitalsenator

Die IHK fordert als einen Lösungsansatz einen „Chief Digital Officer“, der spätestens bei den nächsten Abgeordnetenhauswahlen im Amt und mit ressortübergreifenden Kompetenzen ausgestattet ist. „Erfolge sind erreichbar, wenn der Wandel als gesamtstädtisches Projekt verstanden wird,
Akteure frühzeitig eingebunden, Ziele und Handlungsfelder im Rahmen einer
Digitalisierungsstrategie bestimmt sowie Verbindlichkeiten und politische Rollen, wie die eines
Digitalsenators, neu entwickelt werden.“, sagte Matthias Patz, Vorsitzender IHK-Fachausschuss Innovation & Technologie. (aak)