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Stadt Leipzig ignoriert Gerichtsurteil zur Schadensersatzverpflichtung
Neues Rathaus in Leipzig | Jörg Blobelt creator QS:P170,Q28598952, 20090314105DR Leipzig Neues Rathaus und Pleißeburg, CC BY-SA 4.0

Stadt Leipzig ignoriert Gerichtsurteil zur Schadensersatzverpflichtung

17. September 2021

Weiterer Schaden droht durch Ignoranz des Oberbürgermeisters

Nicht genug, dass die Stadt Leipzig sich durch Amtspflichtverletzung eine Schadensersatzforderung in Höhe von knapp 12 Mio. EUR eingehandelt hat, droht dieser Schaden nun durch eine weitere Klage zu explodieren.

Und nur, weil die Stadt die Geste einer außergerichtlichen Einigung mit den Klägern Dr. Rütter GbR schlicht ignoriert und durch Nicht-Handeln Steuergelder zu verschwenden droht und darüber hinaus erhebliche Haushaltsrisiken eingeht. Wie kann es sein, dass die ausgestreckte Hand der obsiegenden Kläger weggeschlagen wird? Die Stadt kann nur gewinnen mit einem Vergleich, verloren hat sie in der Sache längst vor dem Oberlandesgericht Dresden als Berufungsinstanz.

Was war geschehen? Die Stadt Leipzig hatte sich schadensersatzpflichtig gemacht wegen amtspflichtwidriger Versagung einer Baugenehmigung für ein Ärztehaus am Reclam Carrée im Graphischen Viertel in Leipzig. Diese wurde erst nach Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage erlassen. Eine zwischenzeitliche erlassene Sanierungssatzung für das Baugebiet schloss eine Realisierung des beantragten Bauvorhabens endgültig aus.
Die Ansprüche der Kläger Dr. Rütter GbR wurden rechtskräftig festgestellt. In Teilen hat die Stadt Leipzig bereits Schadensersatz geleistet. Der Kommunale Schadensausgleich erstatteten die Kläger als Rückversicherer Kosten für die Finanzierung des Grundstückskaufpreises sowie Aufwendungen der Kläger. Insgesamt rund 570.000 EUR. Eine erfolgreiche Klage vor dem Landgericht Leipzig auf Ersatz darüber hinausgehender Schadenspositionen wurde vom Oberlandesgericht Dresden als Berufungsinstanz bereits 2011 rechtskräftig festgestellt. In dem Urteil hieß es, dass die Stadt Leipzig dem Grunde nach zu Schadensersatz verpflichtet ist.
Die Kläger bezifferte die Schadenshöhe mittels eines Sachverständigengutachtens eines unabhängigen Immobiliensachverständigenbüros. Ein weiteres Schadensgutachten eines renommierten Professors und Gutachters bestätigte im September 2020 die bereits gutachterlich festgestellte Schadenshöhe von 11.770.000 EUR. 

Doch seit mehr als 10 Jahren weigert sich die Stadt Leipzig, trotz eindeutiger Sach- und Rechtslage, ein Urteil zur Schadensabwicklung des obersten Sächsischen Zivilgerichts zugunsten der Kläger umzusetzen.
Hinzu kommt, dass die Kläger der Stadt Leipzig wiederholt eine außergerichtliche Schadensabwicklung angeboten hat. Auf Anfrage der BERLINboxx antwortete das Büro des Oberbürgermeisters: „Im Jahr 2011 wurde die Stadt Leipzig durch das OLG Dresden verurteilt, wegen nicht erteilter Baugenehmigungen bzw. Sanierungsgenehmigungen an die Firma Dr. Rütter GbR Schadensersatz zu leisten einschließlich für alle nach dem Jahr 2011 entstehenden Schäden. Die Firma Dr. Rütter GbR ist nunmehr an die Stadt herangetreten, um die seit dem Jahr 2011 und im weiteren noch zukünftig entstehenden Schäden geltend zu machen. Wir befinden uns derzeit in Verhandlung mit der Firma. Da es sich um laufende Verhandlungen handelt, können wir darüber keine weiteren Auskünfte erteilen.“

Nach Rückfrage bei den Klägern Dr. Rütter GbR reagierte der mit Unverständnis auf diese offensichtliche Hinhaltetaktik der Stadt: „Mir wurde zu keinem Zeitpunkt auch nur ein einziges Gesprächsangebot gemacht. Jetzt zu behaupten, dass man sich in Verhandlungen mit uns befände, ist schlicht falsch. Die Stadt Leipzig ist nicht nur in der rechtlichen sondern auch in der moralischen Verpflichtung ihre Schulden zu bezahlen. So wie jeder normale Bürger auch. Wäre die Stadt damals auf unser Vergleichsangebot eingegangen, wäre sie mit 2,5 Mio EUR aus dem Streit herausgegangen. Die Haltung und Verzögerungstaktik kostet die Stadt und damit den Steuerzahler nun Millionen.“ Dazu passt die bis heute vollzogene Vogel-Strauß-Politik der Stadt: Bis heute ist das jüngste Einigungsangebot der Anwälte der Dr. Rütter GbR vom 5. Juli nicht beantwortet worden. Damit wird die Aussage der Stadt, man sei in Verhandlungen, Lügen gestraft. Dem Schreiben war der Klageentwurf bereits beigefügt. Das Vertrauen in ein seriöses und lösungsorientiertes Verhalten der Stadt Leipzig hat der Bürger Dr. Rütter längst verloren. Damit ist schon klar, dass das skandalöse, irrationale und unethische Verhalten der Stadt auch ein Fall für den Landesrechnungshof wird.

Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung | © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), Verleihung Konrad-Adenauer-Preis der Stadt Köln 2015 an Vitali Klitschko-7686 (cropped), CC BY-SA 4.0

Mit diesem Fall des erneuten Staatsversagens knüpft Oberbürgermeister Jung, der übrigens auch Präsident des Deutschen Städtetages ist und damit eine besondere Umsichtigkeit zeigen sollte, an einen Fall aus dem Jahr 2012 an. Das Rechtsamt, das Jung unterstellt ist, verkaufte damals widerrechtlich Grundstücke ohne die Eigentumsfrage geklärt zu haben. Nach erfolglosen Beschwichtigungsversuchen musste der OB letztlich eingestehen, dass in 157 Fällen fahrlässig mit dem Eigentum Fremder umgegangen worden ist. Jung, der die politische Verantwortung für diese Vorfälle trug, beurlaubte daraufhin mehrere Mitarbeiter im Rechtsamt. Die Grundstückseigentümer wurden von der Stadtverwaltung entschädigt. Auch im aktuellen Fall der Amtsrechtsverletzung ist das Rechtsamt der Stadt verantwortlich für den Schaden. Offenbar ist das Rechtsamt, das erneut fahrlässig und rechtswidrig handelt, die große Schwachstelle des Oberbürgermeisters. Die politische Verantwortung trägt jedoch der Oberbürgermeister. (red)