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Die Zukunft des Sports ist auch digital: Spielmacher der Hauptstadt diskutieren in der Spielbank Berlin über das Phänomen e-sport
Diskussionsrunde zum Thema e-sport: v.l.n.r.: Jörg Wirtgen, David Schnabel, Carlos Rodriguez, Dr. Ulrike Albrecht-Sonnenschein, Andrea Loth, Ralf Reichert, Tim Reichert | Foto: Dirk Lässig

Die Zukunft des Sports ist auch digital: Spielmacher der Hauptstadt diskutieren in der Spielbank Berlin über das Phänomen e-sport

17. Mai 2019

Ist der e-sport eine Alternative zum Sport oder gar dessen Zukunft? Suchtgefahr, Gewaltverherrlichung und die große Marktmacht einiger weniger kommerzieller Spielehersteller sind Gründe für den Deutschen Olympischen Sportbund, eher zurückhaltend bei der Anerkennung des e-sport zu sein. Die Runde der Spielmacher des Berliner Fußball-Verbands hat da weniger Berührungsängste und diskutierte unter dem Motto „e&Sports“, was die Chancen, aber auch Gefahren und Risiken des weltweiten Phänomens, das vor allem junge Menschen fasziniert, sind.

Diskussion mit Größen der Community

Als Diskutanten waren namhafte nationale und internationale Größen der Community geladen, die mit Moderatorin Andrea Loth über das Thema sprachen. Ralf Reichert, Gründer und Geschäftsführer des ESL – Electronic Sports League, wurde auch schon der „Ecclestone des e-sport“ genannt und ist weltweit einer der größten Veranstalter von e-sport-Events, die mittlerweile große Hallen füllen. Sein Bruder Tim Reichert ist in ähnlichen Gefilden unterwegs, er ist Chief Gaming Officer bei Schalke 04, dem Verein, der das Thema e-sport in Deutschland maßgeblich mitgestaltet. Die Runde wurde durch die Suchttherapeutin und –expertin Dr. Ulrike Albrecht-Sonnenschein, die sich auch mit den Risiken des e-sport befasst, vervollständigt.

Sport or no sport – Die Diskussionsrunde: v.l.n.r. Ralf Reichert, Andrea Loth, Tim Reichert, Dr. Ulrike Albrecht-Sonnenschein | Foto: Dirk Lässig

Längst geht der Trend weltweit in Richtung e-sport. Nicht nur Millionen junger Menschen spielen selbst, vor allem auch als Zuschauersport zieht der e-sport die Massen an. Große Konzerne wie Mercedes oder Vattenfall haben den Trend erkannt und unterstützen als Sponsoren Teams und Veranstaltungen. McDonalds hat darüber hinaus verkündet, sämtliche Sponsorings aus dem klassischen Sport ab 2020 auf den e-sport zu übertragen.

E-Sports: Die Zukunft des Sports?

Ralf Reichert, der als Macher des deutschen e-sport gilt, sieht im e-sport schon längst kein Phänomen mehr, sondern die Zukunft des Sports. Denn im Ausland ist e-sport schon längst ein Mega-Business und gilt als anerkannte Sportart. Und das ohne jede pädagogische Bedenken oder Debatten. Reichert gilt in der Branche als Mastermind. Er hat aus Videospielen ein erfolgreiches Mega-Event gemacht. „Mir war relativ früh klar, dass Gaming der nächste große Zuschauersport wird”, so Reichert. „Wir wollten den Kids, die früher als Nerds abgestempelt wurden, eine Bühne geben. Heute sind sie teilweise Stars.” Erfolgreiche Top-Gamer sind nicht nur Stars der Branche, sondern gehen auch schon mal mit mehreren Millionen an Preisgeldern nach Hause.

Für Tim Reichert, der die FC Schalke 04 Esports GmbH leitet, ist die Entwicklung unvermeidlich: „Die junge Generation wächst mit der Technik um Instagram, Twitter und Facebook ganz natürlich auf. Computerspielen wird immer mehr das Fernsehgucken ersetzen! Unsere Spiele verfolgen in Deutschland bis zu 200.000 Zuschauer live. Inklusive Nachbetrachtung sind es etwa 500.000 Zuschauer aus ganz Europa. Außer den ganz großen Sportarten wie Fußball, Basketball oder American Football gibt es keinen vergleichbaren Sport, der so populär ist.“ Suchtexpertin Dr. Ulrike Albrecht-Sonnenschein warnt bei aller Euphorie auch vor den Gefahren des e-sport: „Wichtig ist, dass Kinder und auch Eltern ein Bewusstsein dafür entwickeln, wann Kinder spielen und wie viel Zeit sie an der Konsole oder dem Computer verbringen. Wie bei jeder Sucht gilt auch hier, dass ein gesundes soziales Umfeld die Risiken erheblich verringert.“

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci und Gastgeber David Schnabel | Foto: Dirk Lässig

Doch ist denn e-sport nun ein richtiger Sport? Der klassische Sportbegriff passt nicht hundertprozentig auf den des e-sports, weil es unterschiedliche Komponenten gibt. „E-sport ist eher eine Weiterentwicklung, eine natürliche Addition. Denn auch im e-sport geht es um Wettkampf und um den Leistungsgedanken. Motorische Fähigkeiten sind gefragt, eine gute Hand-Auge-Koordination ist essenziell“, so Tim Reichert.

„Von ‚Fifa 19‘ auf den Bolzplatz“

Jörg Wirtgen, Vizepräsident des BFV, sieht in der Entwicklung auch für den klassischen Sport Chancen: „E-sport beschäftigt Millionen junger Menschen. Davor können wir die Augen nicht verschließen. Ich sehe einige Unterschiede zum klassischen Sport, aber eben auch viele Gemeinsamkeiten. Positiv ist aus meiner Sicht, dass junge Menschen beides kombinieren können: Von ‚Fifa 19‘ auf den Bolzplatz? Aus meiner Sicht die logische Konsequenz.“

Veranstalter Jörg Wirtgen | Foto: Dirk Lässig

Zu Gast waren außerdem Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, Carlos „ocelote“ Rodriguez, weltweit erfolgreicher „League of Legends“-Spieler und Gründer von G2 esports, Thomas Klein, Journalist und Vorsitzender der Berliner Pressekonferenz, die Mitglieder des Boards der Spielmacher und zahlreiche namhafte Gästen aus Politik, Sport und Wirtschaft. Dazu gehörten Spielbank-Geschäftsführer David Schnabel, ASB-Präsidiumsmitglied Dr. Karl Kauermann, LSB-Präsident Thomas Härtel und Senatssprecher a.D. Richard Meng.

Die Runde der Spielmacher zu Gast in der Spielbank Berlin | Foto: Dirk Lässig

Parallelen zwischen e-sport und Glücksspiel

Spielbank-Geschäftsführer David Schnabel sieht einige Parallelen zwischen e-sport und dem Glücksspiel: „Mit der fortschreitenden Popularität und Beliebtheit dieses neuen sportlichen Phänomens werden sich auch die Politik und die Öffentlichkeit mit diesem Thema beschäftigen müssen, um faire und sichere Spielregeln für alle Teilnehmer zu definieren. Hier können wir als Spielbankbetreiber sicherlich unterstützen, da wir als seriöse Anbieter im Glücksspielbereich bereits vor vielen Jahren zielführende und funktionierende Jugend- und Spielerschutzmaßnahmen in unsere Prozesse und Abläufe integriert haben, ohne dadurch die Faszination für unsere Spielangebote einzuschränken. Wichtig ist ein Dialog auf Augenhöhe, der nicht stigmatisiert und Weiterentwicklung verhindert. Die Vorträge und die Diskussion heute haben gezeigt, dass ein solcher Austausch möglich ist.“

Das Board des Spielmacher

Das Board der Spielmacher wurde 2018 von Jörg Wirtgen gegründet und besteht aus 31 wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Playern Berlins und darüber hinaus. Sie treffen sich viermal jährlich an besonderen Orten in Berlin, um mit spannenden Referenten zu Themen ins Gespräch zu kommen, die den Fußball betreffen, aber sich auch auf andere Bereiche übertragen lassen. Es entsteht kein Expertenvortrag der Referenten, sondern die Möglichkeit, in einer kleinen, moderierten Runde in den Austausch zu treten und dabei die große Kraft des Gesellschaftsphänomens Sport zu reflektieren, zu verstehen und sie zu nutzen, sodass das Gremium im Berliner Fußball-Verband eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion erfüllt. (ak)