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Das Allgemeinwohl der Stadt im Blick behalten
Bausenatorin Katrin Lompscher | Foto: Thomas Hedrich, Fotostudio Charlottenburg

Das Allgemeinwohl der Stadt im Blick behalten

29. März 2019

Im Gespräch mit Katrin Lompscher (Die Linke), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen

Berlin wächst unaufhörlich. Immer mehr Leute strömen in die Stadt. Umso wichtiger ist es, dass Stadtentwicklung und Wohnungsbau diese Entwicklung stemmen können. Die BERLINboxx sprach mit Bausenatorin Katrin Lompscher über den Wohnungsbau, zukünftige Stadtquartiere, Investorenfeindlichkeit und die Flächenkonkurrenz zwischen Wohnen und Gewerbe.

Frau Lompscher, wer baut Berlin?

Zuerst das Land Berlin selbst und die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Natürlich sind auch zahlreiche private Projektentwickler, Wohnungsunternehmen und Genossenschaften aktiv am Wachstum der Stadt beteiligt.

Die Stadt ist mehr und mehr als „investorenfeindlich“ verschrien. Verstehen Sie die Kritik?

Die Entwicklung des Siemens Campus, den wir gerade gemeinsam mit dem Unternehmen in Spandau planen, ist ein schöner Gegenbeweis für diese These.

Auch beim Wohnungsneubau arbeitet Berlin sehr erfolgreich mit einer Vielzahl von privaten Investoren eng und vertrauensvoll zusammen. Der Senat hat vor allem die Aufgabe, Berlin als sozial und funktional gemischte, grüne und lebenswerte Stadt zu erhalten und zu gestalten. Deshalb sorgen wir mit unterschiedlichen Instrumenten – vor allem über das Planungsrecht – dafür, dass sich auch private Investoren an der Schaffung von bezahlbaren Wohnungen und der nötigen Infrastruktur beteiligen.

Wo Mieterinnen und Mieter aufgrund spekulativer Wohnungsverkäufe unter Verdrängungsgefahr geraten, üben wir in Einzelfällen das Vorkaufsrecht aus. So nutzen wir gemeinsam mit den Bezirken alle rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz der Mieterinnen und Mieter.

In Berlin herrscht ein Mangel an Wohnraum für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Es ist meine Aufgabe als Senatorin, das Allgemeinwohl der Stadt im Blick zu behalten und dieses im Zweifel auch gegen wirtschaftliche Einzelinteressen zu verteidigen.

Der Neubau hinkt deutlich. Ursprünglich sollten 30.000 Wohnungen bis 2021 entstehen. 2018 wurde die Zahl um rund 5.000 Wohnungen nach unten korrigiert. Ist sie zu halten?

Ein Absinken der Fertigstellungszahlen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften unter die Marke von 25.000 Wohnungen ist keinesfalls akzeptabel und erfordert gemeinsame Anstrengungen. Die Gesellschaften sind deshalb beauftragt, durch ein Bündel von Maßnahmen nachzusteuern. Dabei vor allem die Anstrengungen zu intensivieren, Projektankäufe zu realisieren.

Zudem wird es ab sofort ein nochmals deutlich engmaschigeres Reporting zu allen laufenden B-Planverfahren geben, um bei Problemen sofort einschreiten zu können und die Realisierung bis 2021 zu garantieren Zurückgestellte, kleinteilige Wohnbauvorhaben sollen vorgezogen werden. Wir erwarten zudem eigene Vorschläge von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, um die gesetzten Zielzahlen zu realisieren.

Warum kommt der Wohnungsbau nur schleppend voran?

Das ist nicht richtig. In Berlin wird derzeit so viel gebaut, wie seit den 1990er Jahren nicht mehr. Im Jahr 2017 wurden 15.669 Wohnungen fertiggestellt, das entspricht einem Plus von 14,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Zahl der Baugenehmigungen lag in den letzten Jahren konstant oberhalb der Marke von 20.000. Die Verknappung von Bauland, auch aufgrund steigender Bodenpreise, entwickelt sich für den Wohnungsbau allerdings zunehmend zu einem Hemmnis. Teilweise verzögert sich auch die Schaffung von Planungsrecht unter anderem wegen mangelnder Personalkapazitäten in den bezirklichen Planungsämtern. Hier haben wir durch eine deutliche Erhöhung der Stellen bereits nachgebessert.

Ein weiteres Problem stellt der sogenannte Bauüberhang dar. Also Wohnungen, die genehmigt wurden, aber bei denen es nicht mit dem Bauen losgeht. Spekulation spielt an dieser Stelle eine Rolle, aber auch die Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft, der Mangel an Fachkräften und die daraus resultierende Steigerung der Baukosten. Wir sind deshalb mit der Bauwirtschaft regelmäßig im Gespräch darüber, welche gemeinsamen Anstrengungen wir unternehmen können, um vielfältigen Hemmnissen entgegenzutreten.

Welche Neubauprojekte sind besonders hervorzuheben?

Ein ebenso schönes, wie aktuelles Projekt ist die Entwicklungen am „Haus der Statistik“. An diesem Prozess sind gleich fünf Kooperationspartner – die „Koop5“ – beteiligt: mein Haus, das Bezirksamt Mitte von Berlin, die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH und die ZUsammenKUNFT Berlin eG Genossenschaft für Stadtentwicklung. Diese Gemeinschaft hat am 29. Januar 2018 einen Kooperationsvertrag zur Zukunft des Geländes abgeschlossen. Gemeinsam mit der Berliner Stadtgesellschaft entsteht jetzt im Herzen der Hauptstadt ein vielfältiger Ort zum Wohnen, Leben und Arbeiten.

Auch die Planungen des Schumacher-Quartiers gehen gut voran. Hier wird, nach der Schließung des Flughaben Tegels, ein sozial gemischtes, ökologisches Modellquartier entstehen. Gleiches gilt für das Stadtquartier Buckower Felder, wo neben der städtischen Gesellschaft Stadt und Land auch Genossenschaften Wohnungen bauen werden.

Senatsbausenatorin Regula Lüscher und Bausenatorin Katrin Lompscher gestalten Berlin | Foto: Thomas Hedrich, Fotostudio Charlottenburg
Zwei Jahre Ihrer Amtszeit sind nun vorbei, was waren Erfolge, was Niederlagen? Was nehmen Sie sich für die kommenden zwei Jahre vor?

Bedauerlich ist, dass wir bei der Reform des alten sozialen Wohnungsbaus noch keine Einigung in der Koalition erreichen konnten. Ein großer Erfolg ist, dass wir in diesem Jahr die Arbeiten an den Stadtentwicklungsplänen Wohnen 2030, Wirtschaft und Zentren abschließen. Damit ist der Wachstumsplan für Berlin fertiggestellt, auf dessen Grundlage wir die Entwicklung der Stadt in den kommenden Jahren sozial gerecht, ökologisch und partizipativ gestalten wollen. Durch Neubau, Ankauf und Rekommunalisierung ist es uns gelungen die kommunalen Wohnungsbestände zu erweitern. So bleibt Wohnen in Berlin für immer mehr Menschen bezahlbar.

Dieses Engagement werden wir weiter ausbauen und die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften aber auch private Investoren dabei unterstützen, leistbaren Wohnraum zu schaffen. Wir haben die Zusammenarbeit von Senat und Bezirken gestärkt und können Probleme jetzt schneller aus dem Weg räumen.

Leben und arbeiten in Innenstadtlage ist heiß begehrt. Mit zunehmendem Flächenmangel wird das immer mehr zum Problem. Wie kann der Stadtrand als Wohn- und Arbeitsort attraktiver gemacht werden?

Die äußeren Bezirke Berlins sind attraktive Orte zum Wohnen und Arbeiten, in denen übrigens zwei Drittel der Berlinerinnen und Berliner leben. Im Zuge der hohen Wohnungsbautätigkeit der kommenden Jahre werden sie noch an Anziehungskraft gewinnen. Dazu braucht es allerdings mehr als nur Wohnungen: schnelle Verkehrsanbindungen, Schulen und Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten, Kultur- und Freizeitangebote müssen in gleichem Maße mitwachsen.

Im regionalen Maßstab setzen wir dabei weiter auf das Prinzip des „Siedlungssterns“: Die notwendige Stadterweiterung konzentriert sich auf die Achsen entlang der schnellen Bahnverbindungen. Das Wachstum der Hauptstadtregion soll so gesteuert voranschreite und eine gute Erreichbarkeit der neuen Wohnquartiere gewährleistet werden.

Apropos Flächenmangel: Ist eine faire Verteilung der noch wenigen Flächen zwischen Wohnen und Gewerbe überhaupt noch möglich? Was hat Vorrang?

Es kann an dieser Stelle kein „Entweder– Oder“ geben. Eine wachsende Stadt braucht Flächen zum Wohnen und Arbeiten gleichermaßen – und darüber hinaus auch Flächen für soziale Infrastruktur, öffentliche Bedarfe und nicht zuletzt Grünflächen und Freiräume. Eine der wichtigsten Aufgaben strategischer Stadtentwicklung ist es deshalb, die unterschiedlichen Bedarfe im Blick zu behalten und die Flächenkonkurrenzen so gering wie möglich zu halten. (cr)