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Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation zur Kindschaftsrechtsreform
Positive Resonanz auf Modernisierung des Familienrechts | canva

Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation zur Kindschaftsrechtsreform

06. Mai 2024

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation e.V. (BAFM) begrüßt in ihrer Stellungnahme das vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte Eckpunktepapier zur Modernisierung von Sorgerecht, Umgangsrecht und Adoptionsrecht. Zusätzlich plädiert der Verein für eine Verankerung der Mediation als vorrangiges Verfahren im Familienrecht.

Stellungnahme

Modernisierung von Sorgerecht, Umgangsrecht und Adoptionsrecht

Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Kindschaftsrechts

Mai 2024

I. Allgemeine Vorbemerkung

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation e.V. (BAFM) begrüßt ausdrücklich das vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte Eckpunktepapier, das nicht nur den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung trägt, sondern auch die Gestaltungsfreiheit und Selbstbestimmung von Familien betont und stärkt. Wir verstehen die vorgeschlagenen Änderungen im Kindschaftsrecht dahingehend, dass Familien mehr Handlungssicherheit und -optionen erhalten und somit ihre individuellen Interessen berücksichtigt werden. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Konkretisierung individueller Rechtspositionen auch zu einem erhöhten Konfliktpotential bei der Durchsetzung dieser Rechte führen kann.

Wir begrüßen die geplante Aufwertung der Beratungsleistungen der Jugendhilfe und wünschen uns eine entsprechende Ausstattung der Beratungsstellen. Dabei sind sowohl Beratungsleistungen im Sinne einer personenbezogenen Stärkung der Erziehungsverantwortung als auch die Unterstützung der (z.B. auch getrennt lebenden) Eltern bei der Konfliktbewältigung erforderlich. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, die Mediation, verstanden als freiwilliges Verfahren zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung, als vorrangiges Verfahren im Familienrecht zu verankern. Damit soll sichergestellt werden, dass die Mediation als gangbare, niedrigschwellige Option den Familien zur Verfügung steht, bevor sie sich für eine behördliche, anwaltliche oder gerichtliche Intervention entscheiden. Mediation führt nachweislich häufiger zu einvernehmlichen und nachhaltigen Lösungen, was gerade für Familien eklatant wichtig ist.

Die BAFM hat vor der letzten Bundestagswahl Wahlprüfsteine an die großen demokratischen Parteien geschickt. Die Antworten der Parteien finden sich auf unserer Homepage. Wir möchten diese nochmals in Erinnerung rufen. Alle Parteien haben sich ausdrücklich dafür ausgesprochen, alternative Konfliktlösungsverfahren, insbesondere auch die Mediation, durch den Gesetzgeber weiter zu stärken. Leider findet die Mediation im Eckpunktepapier keine Erwähnung, obwohl gerade die geplante Familienrechtsreform den Regierungsparteien vielfältige Möglichkeiten bietet, ihre diesbezüglichen Wahlversprechen einzulösen.

Konkret plädieren wir für eine Verankerung der Mediation und der Mediator*innen in der Neufassung des Gesetzes in dreifacher Hinsicht:

1) als gesetzlich vorgesehene Alternative zu den in den Reformvorschlägen vorgesehenen neuen Aufgaben der Jugendämter,

2) als alternative Beurkundungsstellen für die vorgesehenen Sorge- und Umgangsrechtsvereinbarungen

3) als erste Anlaufstelle in allen familienrechtlichen Streitigkeiten (mit Ausnahme von Eil- und Gewaltfällen), bevor ein Gericht angerufen werden kann.

II. Zu den einzelnen Eckpunkten

a. Zu Punkt 1. Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf das elterliche Sorgerecht

Die Aufwertung nicht verheirateter Eltern wird von der BAFM unterstützt, sie stellt eine

Anerkennung der sozialen Elternschaft dar und trägt dem Wunsch nach Verantwortungsübernahme Rechnung.

Mit Blick auf das Kindeswohl ist ein konsensualer und damit nachhaltiger Interessenausgleich als Maßstab zu definieren. Hier ist die verpflichtende Anwendung von Mediation im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen ausdrücklich im Gesetz zu verankern, wie dies in einigen europäischen Ländern – Litauen, Griechenland, Estland, Malta, Italien und Kroatien - bereits der Fall ist.

b. Zum Begriff der Vereinbarung in den Reformvorschläge insbesondere Punkte 2. Kleines Sorgerecht, 3. Umgangsrecht zwischen Eltern, 4. Umgangsrecht mit Dritten

Das Eckpunktepapier sieht vor, dass die Sorgeberechtigten durch Vereinbarung bis zu zwei weiteren Personen Sorgerechte einräumen können. Ferner ist vorgesehen, dass die Eltern untereinander Vereinbarungen über das Umgangsrecht treffen können, die sofort vollstreckbar sind. Auf Wunsch der Eltern können auch Dritten durch Vereinbarung Umgangsrechte eingeräumt werden.

Die Ausweitung des Sorge- und Umgangsrechts auf Dritte durch Vereinbarungen ist zu begrüßen, da sie den unterschiedlichsten Familienkonstellationen Rechnung trägt. Offen bleibt jedoch, welche Mechanismen den betroffenen Familien zur Verfügung stehen, um Meinungsverschiedenheiten bei der Ausgestaltung des Sorge- und Umgangsrechts konstruktiv zu begegnen. Das Eckpunktepapier verweist auf die Möglichkeit des Aushandelns von Konflikten zwischen den Beteiligten. Der Gang zum Gericht oder Jugendamt ist dabei nicht in jedem Einzelfall geeignet oder angemessen. Insbesondere mit Blick auf das Kindeswohl ist dies in bestimmten Fällen auch zu vermeiden, um z.B. die Intimität der Familie nicht über Gebühr zu beeinträchtigen.

Wir empfehlen, den Familien bei Vereinbarungen einen Anspruch auf Mediation im Sinne einer präventiven (streitvermeidenden) oder schlichtenden (im Streitfall) Maßnahme im FamFG einzuräumen.

c. Punkt 7. Partnerschaftliche Betreuung nach Trennung

Die angestrebte gesetzliche Verankerung des Wechselmodells5 als Alternative zum bekannten Residenzmodell sowohl in symmetrischer als auch in asymmetrischer Form ist dringend erforderlich. Zu begrüßen ist auch, dass das Gericht eine Betreuung im Wechselmodell anordnen kann, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Gleichwohl bleibt im Hinblick auf das Wechselmodell der grundsätzliche Widerspruch bestehen, dass die für dieses Betreuungsmodell zentrale Wirksamkeitsvoraussetzung, nämlich die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern, in den vor Gericht zu entscheidenden (hoch-)strittigen Fällen häufig nicht vorausgesetzt werden kann. Vielmehr ist bei einer oberflächlichen Bevorzugung des Wechselmodells eine Beeinträchtigung des Kindeswohls zu befürchten.

Wir empfehlen daher für eine nachhaltige und insbesondere dem Kindeswohl dienende Gestaltung des Wechselmodells zwischen getrennt lebenden Eltern, den Zugang zur Mediation gesetzlich zu verankern. Dies trägt der Komplexität und dem Eskalationspotential zwischen getrennten bzw. im Trennungsprozess befindlichen Eltern Rechnung.

Darüber hinaus sollte die Aufwertung des Wechselmodells durch weitere Maßnahmen flankiert werden, um finanzielle Benachteiligungen einzelner Elternteile zu vermeiden - vgl. hierzu die Vorschläge im wissenschaftlichen Gutachten von Walper/Felgert (2022) „Gemeinsam getrennt erziehen“.

III. Abschließende Bemerkungen

Mit der Stärkung der subjektiv wahrnehmbaren Rechte der Kinder ist es notwendig, sie auch anders als bisher bei Konflikten einzubeziehen. Da die (hoch-)strittige Austragung von Umgangs- und Sorgerechtskonflikten häufig als Ursache von erheblicher Kindeswohlgefährdung identifiziert wird, würde die Einführung des Rechtes auf konsensuale Streitbeilegung, sprich Mediation, ein großer Schritt zur Gewährleistung des Kindeswohls und ein Fortschritt bei der Umsetzung der Kinderrechte darstellen.

Die BAFM versteht die Eckpunkte auch unter dem Gesichtspunkt, die künftige Handlungsfähigkeit und Entlastung des Familiengerichts zu fördern. Um die Eltern und Dritte in der Sorge für das Kind als Hauptbetroffene mit den nach diesen Regelungen noch offenen Streitfragen nicht allein zu lassen, sind konkrete Angebote und Maßnahmen bereitzustellen. Mediation als Alternative neben den Leistungen der Jugendhilfe/Jugendämter kann hier wertvolle Entlastung bringen, sie ist zudem in den meisten Fällen schneller und damit in der Regel auch kostengünstiger als ein ordentliches Gerichtsverfahren. Eine Entlastung der öffentlichen Haushalte wäre ein positiver Nebeneffekt.

Nicht zuletzt würde der Vorrang der Mediation vor (familien-)gerichtlichen Auseinandersetzungen eine Rechtsangleichung auf europäischer Ebene darstellen. Im europäischen Vergleich liegen andere EU-Mitgliedstaaten hier vor Deutschland. Die Familienrechtsreform bietet die Chance, zum europäischen Standard aufzuschließen.

Das Familienrecht bedarf aus unserer Sicht noch weiterer Reformen als sie im Eckpunktepapier erfasst sind – insbesondere im Bereich des Scheidungsrechtes. So z.B. die Möglichkeit einer außergerichtlichen (zB standesamtlichen) Scheidung für die Fälle abgeschlossener Trennungs- und Scheidungsmediationen / Anwaltsvergleiche.

Wir sind gerne bereit, unsere fachlichen Erfahrungen in die weitere Bearbeitung und Diskussion der Reformideen einzubringen und würden uns freuen, mit den politischen Entscheidungsträgern ins Gespräch zu kommen.

Sabine Langhirt und Matthias Würtenberger für das BAFM-Sprecher:innenteam

BAFM e.V. Fritschestr. 22, 10585 Berlin, vorstand@bafm-mediation.de

Hier können Sie die Stellungnahme als PDF herunterladen: Stellungnahme BAFM Mai 2024